05. Dezember 2019 | Zurück zur Artikelübersicht » |
Die größte Chance für die HSG Siebengebirge liegt vielleicht darin, dass sie normalerweise keine haben dürfte. Oder höchstens eine kleine. Der Tabellenletzte hat erst einmal gewonnen, eher magere 3:15 Zähler und nach neun Spieltagen drei Punkte Rückstand aufs rettende Ufer. Und er trifft jetzt auf die SG Ratingen, deren Verantwortliche immer wieder hohe Ziele für die Mannschaft setzen. Aufgrund der prominenten personellen Besetzung mit Top-Kräften im Rückram wie Alexander Oelze oder Filip Lazarov dürfte es eigentlich gar keine Diskussion darüber geben, wer am Ende die Meisterschaft holt und in die 3. Liga aufsteigt. „Natürlich ist das ein sehr starker Gegner“, sagt HSG-Coach Lars Degenhardt, der die Gastgeber verständlicherweise klar in der Außenseiterrolle sieht, „im Normalfall können wir das vielleicht nicht gewinnen. Aber wir sind zu Hause immer in der Lage, eine Überraschung zu schaffen – wenn es sehr gut läuft.“ Degenhardt sieht nicht den geringsten Anlass, Trübsal zu blasen oder Siebengebirge etwa aufzugeben. Sonst hätte er gemeinsam mit seinem Co-Trainer Fabian Zächerl in der Not der HSG auch kaum sein Ja-Wort gegeben, nachdem der bisherige Trainer Werner Klöckner kürzlich im Anschluss ans 29:32 gegen den TV Aldekerk sein Amt zur Verfügung gestellt hatte.
Lange beknien mussten sie Degenhardt im Grunde nicht, weil er sein Handball-Herz sowieso ans Siebengebirge verloren hat. Schwer fiel ihm die Zusage vor allem deshalb, weil er dafür seine Tätigkeit bei der zweiten Mannschaft der HSG (Verbandsliga) aufgeben musste – die Degenhardt erst im Sommer übernommen hatte. Nach dem Ende seiner aktiven Laufbahn war er bis Ende 2015/2016 bereits im Männer-Bereich des Vereins als Trainer tätig, ehe er für zwei Jahre die Position des Sportlichen Leiters übernahm. Um nun in der schwierigen Lage die Arbeit als Chef des Regionalliga-Teams überhaupt mit Familie und Beruf vereinbaren zu können, holte er Fabian Zächerl ins Boot: „Wir sind sehr lange befreundet. Und es war von Beginn an klar, dass wir das nur im Paket machen.“ Weil Zächerl selbst bis zum Ende der vergangenen Saison für die erste Mannschaft auf dem Feld stand, kennt er sich im Siebengebirge ebenfalls bestens aus – wie der derzeit verletzte Kapitän Bastian Willcke, der bis zu seinem Comeback (eventuell im Januar 2020) bei der Trainingsgestaltung hilft.
Drei Aspekte gibt es, die Degenhardt mittelfristig auf die Wende zum Besseren hoffen lassen: „Erstens vertraue ich auf unsere eigene Stärke, wenn wir sie denn auf die Platte kriegen. Zweitens haben wir unsere Fans im Rücken. Und drittens ist die Mannschaft absolut intakt. Unsere Zielsetzung ist es natürlich, doch noch die Klasse zu halten. Die Qualität dazu ist da und wir wollen sehen, dass wir uns weiterentwickeln.“ Weil er kein Träumer ist, weiß er auf der anderen Seite sehr genau, dass die HSG vor einem schwierigen Weg steht und die bevorstehende Aufgabe Ratingen „nur“ eine von vier komplizierten Partien bis zum Ende der Hinrunde ist. Nach Ratingen folgt in diesem Jahr noch die Fahrt zur SG Langenfeld (14. Dezember), ehe es Anfang 2020 gegen den HC Weiden (11. Januar) und beim MTV Rheinwacht Dinslaken (19. Januar) weitergeht – beim Vorjahresmeister, der wie Siebengebirge bei 3:13 Zählern zu finden ist. Keine ganz kühne Prognose: Spätestens nach Teil eins der aktuellen Saison werden sie bei der HSG sehr viel genauer wissen, ob aus dem Unternehmen Klassenerhalt was werden kann.
Deutlicher weiter oben in der Tabelle setzen die beiden Top-Teams ihr Fernduell im Kampf um die Tabellenspitze fort. Der TV Korschenbroich legt bereits am Freitagabend vor und er will gegen den Fünften TV Aldekerk zeigen, dass er die 23:27-Niederlage zuletzt beim BTB Aachen vernünftig aufgearbeitet hat. Jener Aachener Sieg wird wiederum den auf Platz eins zurückgekehrten Opladenern zusätzlich gezeigt haben, was auf sie am Samstag gegen den gerade sehr formstarken Dritten aus Aachen zukommt. Dranbleiben könnte der Fünfte TV Rheinbach, der die stark gefährdeten Dinslakener erwartet. Zu einem Duell der in der Meisterschaft Enttäuschten treffen sich der Aufsteiger HG Remscheid, der am vergangenen Wochenende in Ratingen unter die Räder kam (31:42), und die SG Langenfeld, die allerdings der 33:34-Heimpleite gegen den TSV Bonn rrh. einen beachtlichen Erfolg im Halbfinale des Niederrheinpokals folgen ließ – weil sie eben diese Ratinger in deren eigener Halle mit 29:28 bezwingen konnte. Vielleicht erkundigt sich ja Lars Degenhardt sogar beim SGL-Kollegen Markus Becker, wie denn der SG beizukommen sei. Grundsätzlich dürfte die größte Chance für die HSG Siebengebirge aber darin liegen, dass sie normalerweise keine haben dürfte.