05. März 2021 | Zurück zur Artikelübersicht » |
Die Saison ist zur Hälfte durch und der Stand der Dinge deshalb kein Zufall mehr. 19 von 36 Spielen absolviert? Das lässt eine Bilanz zu, aus der sich eine Prognose ergibt – trotz aller unbekannten Dinge, die da noch passieren mögen. So waren die Zweitligisten zuletzt ohne große Probleme durchgekommen und der Rückstand im Spielplan war fast aufgeholt. Bis zum Freitag: Erst heute folgten die nächsten coronabedingten Streichungen. Weil es beim TuS Ferndorf zwei positive Tests gegeben hatte, befindet sich die Mannschaft erneut in Quarantäne – wie vor einigen Monaten. Deshalb ist die für Samstag vorgesehene Partie gegen den TV Emsdetten bereits verlegt und auch der TSV Bayer Dormagen könnte mittelbar betroffen sein. Erst einmal total verwirrend: Aue spielte am vergangenen Sonntag gegen Ferndorf und dann am Mittwoch gegen Dormagen. Erst nach diesem Abend ordnete das Gesundheitsamt des Erzgebirgskreises mit Blick auf die Nachrichten aus Ferndorf eine häusliche Quarantäne an – obwohl alle Tests vor der Partie gegen Bayer negativ waren. Folge der Entscheidung: Der für Sonntag geplante Auer Auftritt kann nicht stattfinden. Fraglich ist zudem, was auf dem für den 12. März angesetzte Nachholspiel des fünften Spieltages der Dormagener gegen Ferndorf wird. Im ungünstigsten Fall fällt dieser Termin erneut aus, sodass es für den TSV erst am 19. März weiterginge – und das auch noch gegen den Spitzenreiter Handball Sport Verein Hamburg.
Dann bliebe dem TSV Bayer immerhin die Gelegenheit, sich wirklich ausführlich der Rückschau auf die jüngsten Auftritt zu widmen und daraus möglicherweise ein paar Schlüsse zu ziehen. Grob zusammengefasst: Im Sportcenter ist die Welt grundsätzlich in Ordnung. Das würde der VfL Gummersbach auch sehr gerne feststellen, doch davon kann so keine Rede sein. Die vor der Saison offiziell ausgegebene „Mission Aufstieg“ ist ins Wanken geraten. Wir bieten zweierlei Wetten an: Dormagen wird sein Ziel erreichen, auf einem sicheren einstelligen Tabellenplatz über die Ziellinie zu gehen. Und die Gummersbacher? Werden trotz zuletzt unterirdisch schwacher Auftritte den zweiten Platz belegen, der neben der Meisterschaft den Aufstieg in die höchste deutsche Klasse bedeutet.
VfL Gummersbach
Die Bilanz seit Anfang des Jahres steht mit 6:6 Punkten nicht für gehobene Ansprüche, sondern für glattes Mittelmaß. Was mit dem schon mühseligen 28:25 über den EHV Aue begann, endete mit 25:32-Debakel beim Letzten TuS Fürstenfeldbruck und der 22:29-Pleite bei den eine Klasse zu starken Hamburgern. So sind aus den einst sehenswerten 23:3 Zählern vom Jahresende 29:9 geworden und der Dritte TuS N-Lübbecke (27:9) hat nun aus VfL-Sicht einen unangenehm direkten Kontakt. Lübbecke, trainiert vom früheren Gummersbacher Emir Kurtagic, hat das 24:27 im Oberbergischen kurz vor dem Jahreswechsel offensichtlich gut weggesteckt, denn anschließend gab es bei 9:1 Punkten fünf Partien ohne Niederlage, darunter das beachtliche 25:25 in Hamburg. Sollte der TuS am Sonntag beim HC Elbflorenz Dresden den nächsten Sieg landen, stünde er ebenfalls bei 29:29 Punkten – und über das bessere Torverhältnis zunächst vor den Gummersbachern. Im direkten Vergleich, der später über die Abschluss-Platzierung entscheidet, hat das Team von Trainer Gudjon Valur Sigurdsson noch jenes 27:24 aus der Hinrunde auf der Habenseite. Und vermutlich wissen alle Beteiligten, was am 28. Mai auf dem Programm steht: In Lübbecke treffen die beiden Verfolger der Hamburger zum zweiten Mal aufeinander. Es könnte am fünftletzten Spieltag ein vorgezogenes Finale werden.
Landauf, landab herrschte vor der Saison die feste Meinung: Dieser Gummersbacher Kader ist so gut, dass die Rückkehr in die Bundesliga fast eine Pflicht ist. Einer, der sich gerade im Harzhelden-Gespräch vorsichtiger geäußert hat: Gudjon Valur Sigurdsson. Sein Standpunkt: „Klar wollen wir so weit wie möglich oben landen. Aber ich kann nicht sagen, wo wir am Ende des Jahres oder am Ende der Saison stehen. Es ist überhaupt nicht mein Ding, große Töne zu spucken.“ Das kommt ihm natürlich zugute. Niemand kann ihm Großspurigkeit vorwerfen oder einen Mangel an Respekt vor der Konkurrenz. Helfen sollte Sigurdsson zudem, dass er in seiner großartigen Karriere als Spieler ähnlich angespannte Phasen mitgemacht hat wie jetzt die als Neu-Trainer in Gummersbach. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit wird ihm in der Atempause bis zur nächsten Aufgabe am 20. März beim TV Hüttenberg etwas einfallen, um seine Mannschaft wieder auf Kurs zu bringen. Fast zweieinhalb Wochen ohne Belastung sind in dieser herausfordernden Saison fast ein Geschenk. Wir sind überzeugt: Goggi und seine Spieler werden es annehmen, weil sie dann ihre Krise hinter sich haben. Gummersbach schafft deshalb am langen Ende den Aufstieg.
Eins sollten sie im Oberbergischen nicht tun: Alles auf den Ausfall von Alexander Hermann schieben, der nach seiner heftigen Gesichtsverletzung aus der Partie in Fürstenfeldbruck noch lange aussetzen muss. Der Rückraumspieler ist zwar hinten wie vorne eine wichtige Größe – aber das reicht nicht als Erklärung für die fast blutleeren Darbietungen, die zuletzt zwei Niederlagen brachten. Sicher: Als vor ein paar Wochen etwa Janko Bozovic pausieren musste (Achillessehne), konnte der VfL im sonstigen Rechtsaußen Lukas Blohme einen anderen Linkshänder in den rechten Rückraum verschieben – eine hilfreiche Lösung. Dass aber auf der linken Seite gerade die blanke Not herrschen soll, wäre eine große Überraschung und im Grunde ein (nicht wirklich vorstellbares) Armutszeugnis für ein Top-Team, das in die Bundesliga will. Oder hat doch Lübbeckes Coach Emir Kurtagic Recht? Vor dem Auftritt beim VfL äußerte er sich so: „Gummersbach ist in der Spitze stärker, aber wir vielleicht in der Breite. Wir werden sehen, welche Herangehensweise sich durchsetzt.“
TSV Bayer Dormagen
Typisch für den Verein: Niemand kommt dort auf die Idee, sich zu weit aus dem Fenster zu lehnen. Das hat viel damit zu tun, dass die Dormagener nach dem Abstieg in die 3. Liga am Ende der Saison 2015/2016 erst nach der Serie 2017/2018 in die 2. Bundesliga zurückkehren konnten. Anschließend gelang über Rang 13 mit gar nicht so großem Vorsprung auf die gefährlichen Ränge der Klassenerhalt, ehe die abgebrochene Saison 2019/2020 mit einem ausgeglichenen Konto (24:24 Punkte) und dem zehnten Platz endete. Das klare Ziel für 2020/2021: In der Klasse etablieren, die Mannschaft entwickeln, sich ein kleines Stück nach oben bewegen, einen einstelligen Tabellenplatz sichern. Weil es derzeit mit 23:15 Zählern der fünfte Rang ist, liegen die Dormagener sogar über dem Soll, das sie selbst festgelegt haben – und sie haben Luft nach unten. Neunter, Zehnter und Elfter sind momentan der Dessau-Roßlauer HV (17:21), der ThSV Eisenach (17:23) und der TV Hüttenberg (17:23). Weil die Dormagener gegen alle drei Klubs bereits gewinnen konnten, werden sie zumindest Neunter.
Was die Mannschaft von Trainer Dusko Bilanovic und die Gummersbacher gemeinsam haben: Auch die Bilanz der Dormagener seit Anfang des Jahres steht mit 6:6 Punkten nicht für gehobene Ansprüche. Klarer Fall: Größte Schwäche der Mannschaft, die in dieser Saison im Übrigen immer wieder Ausfälle zu verkraften hatte, ist der Mangel an Konstanz, der sich hin und wieder in einzelnen Partien doppelt und dreifach auswirkt. Konstant schlecht waren die Auftritte nur zweimal und es folgten beim TuS Fürstenfeldbruck (28:30) und bei der DJK Rimpar Wölfe (19:25) die entsprechenden Quittungen. Daneben gab es Höhepunkte wie das 27:19 über den ASV Hamm-Westfalen, das 24:22 über den VfL Lübeck-Schwartau und das 33:27 nach einer famosen Aufholjagd gegen die SG BBM Bietigheim am 26. Februar. Danach folgten innerhalb von nur 48 Stunden ein 28:20 in Dessau-Roßlau und dieses 28:29 beim EHV Aue. Das war ebenso vermeidbar wie ärgerlich, aber definitiv keine Katastrophe. Aue ist immerhin sechs Mal in Folge ungeschlagen, als Sechster ein hohe Hürde – und der TSV Bayer eben (noch) keine Mannschaft, die für solche Aufgaben neben viel Leidenschaft ausreichend Cleverness mitbringt.
Nicht wenige in Dormagen sind der Auffassung, dass die Verletzung von Torhüter Martin Juzbasic aus der Anfangsphase des Duells mit Eisenach (29:27) das ganze Gebilde etwas wackliger gemacht hat. Das stimmt so eher nicht oder nur zum Teil. Beim 30:34 in Dresden bekamen die Keeper tatsächlich zu selten eine Hand an den Ball, doch bereits das 19:25 in Rimpar konnte man ihnen nicht anlasten. Bei den Siegen gegen Bietigheim und in Dessau hielt Sven Bartmann stark, ehe in Aue weder er noch der streckenweise eingesetzte Christian Ole Simonsen einen besonders guten Tag erwischt hatten. Wer sich zuletzt immer mehr in den Vordergrund gearbeitet hat: André Meuser. Der Linkshänder im rechten Rückraum erzielte in den sechs Spielen 2021 schon 38 Treffer. „Mausi“, wie ihn sein Coach sehr gerne nennt, steht damit in der Gesamt-Torjägerliste der HBL bei 90 Treffern und auf Rang 15. Nur Rang 15? Ohne die Siebenmeter, die viele vor ihm liegenden Handballer auf dem Konto haben, ist Meuser plötzlich auf dem dritten Platz zu finden. Bei den Feld-Torschützen sind nur Sebastian Greß (98/Dresden) und der Hamburger Shooting-Star Leif Tissier (91) besser. Insgesamt kann Dormagen mit dem Stand der Dinge einfach ganz gut leben.