Regionalliga Nordrhein
Fernziel: Wo Ronny Rogawska die Borussia sieht
Aufsteiger Mönchengladbach sieht der nächsten Saison mit Respekt entgegen, ist aber selbstbewusst. Mittelfristig will nicht nur ihr Trainer in die 3. Liga.

Karneval in Mönchengladbach: Nachdem der (verdiente) Aufstieg feststand, gabs bei Trainer Ronny Rogwaska (vorne rechts) und seiner Mannschaft kein Halten mehr. Jetzt muss sich der Oberliga-Meister auf höhere Anforderungen einstellen. (Foto: Michael Jäger)

Sie gönnen sich gerade eine kurze Pause. Anschließend haben die Spieler ein paar Hausaufgaben zu erledigen. Und irgendwie passt das auch, dass die Borussia Mönchengladbach nach dem Aufstieg in die Regionalliga gar nicht komplett abschaltet, sondern vorübergehend nur den kleineren Gang wählt. Weil der Plan im Hintergrund noch ganz andere Dinge vorsieht. Außerdem hat es lange genug gedauert und herausfordernd war es auch, bis Trainer Ronny Rogawska seit seiner Verpflichtung im Winter 2020 und dem Amtsantritt im Sommer 2020 Teil eins des gemeinsamen Unternehmens als erreicht abhaken konnte. In der Oberliga Niederrhein 2020/2021 war pandemiebedingt nach sechs Runden Schluss – als Mönchengladbach und der Bergische HC II mit jeweils 12:0 Punkten ihren langen Zweikampf um die Meisterschaft gerade begonnen hatten. Ein Jahr später ging das Drama in der Serie 2021/2022 weiter: Erneut setzten diese beiden Klubs die Konkurrenz matt und über Monate die Maßstäbe. Mönchengladbach gewann das spektakuläre Spitzenspiel in der Hinrunde mit 29:27, verlor jedoch in der Rückrunde nicht weniger aufregend mit 25:27 – und musste dem auf 43:5 Punkte gekommenen BHC II mit 42:6 eigenen Zählern um Zentimeter den Vortritt lassen. Im dritten Anlauf konnte sich die Borussia über die Distanz klar durchsetzen, obwohl sie in der Unitas Haan vor allem im ersten Teil der Saison erneut einen hartnäckigen Kontrahenten hatte. Auf das 27:32 in Haan gab es allerdings im zweiten Duell mit dem 34:25 eine eindeutige Antwort – und am Ende lag Mönchengladbach mit 50:2 Punkten und nur dieser einen Niederlage doch ziemlich weit vor den Haanern (45:7).

„Wir haben das in den vergangenen Jahren gut hingekriegt“, sagt Rogawska, der unter anderem bereits bei der HSG Krefeld Niederrhein und beim künftigen Klassen-Konkurrenten TV Korschenbroich als Trainer beschäftigt war, „wir haben eine eingespielte Mannschaft.“ Dem zur Verfügung stehenden Kader traut er entsprechend in der neuen Umgebung eine ordentlich Rolle zu: „Wir brauchen uns nicht zu verstecken. Ich denke, wir können gut mithalten.“ Ein bisher ungelöstes Problem hat mit Routinier Heider Thomas (34) zu tun, der Ende Oktober 2022 einen Kreuzbandriss erlitt und seitdem kein Spiel mehr für Mönchengladbach bestreiten konnte. Deshalb holte der Verein zwischenzeitlich den ebenfalls mit Erfahrung in höheren Klassen ausgestatteten Jonas Vonnahme (28) vor allem zur Stabilisierung der Defensive aus dem handballerischen Ruhestand zurück, aber jetzt gehört der Rückraumspieler erneut nicht mehr zum Kader. „Das werden wir kompensieren müssen“, sagt Rogawska, zu dessen Kader durchaus neue Leute gestoßen sind. Vom bisherigen Oberliga-Nachbarn TV Geistenbeck kommt Marko Markovic in die Jahnhalle und bei Gabriel Westhofen (ebenfalls aus dem Jahrgang 1999) vom Landesligisten VT Kempen sieht der Borussia-Coach das Potenzial, nach dem Überspringen von drei Klassen bald eine Verstärkung zu sein. Einzige offene Frage in der Personalplanung: Bisher ist nicht ganz klar, ob der routinierte Rechtsaußen Dennis Aust-Heide (38), der ursprünglich kürzertreten wollte, weiter zum Kader gehört.

Fest notiert in ihrem Pflichtenheft haben die Mönchengladbacher nicht nur eine intensive Vorbereitung und die erste Regionalliga-Partie am 26. August gegen TuSEM Essen II. Und mehr als nur am Rande dürfte demnächst der 21. Oktober in den Gesprächen eine Rolle spielen – weil an diesem Tag das große Derby gegen den Nachbarn TV Korschenbroich auf dem Programm steht. Wenn dabei der TVK die neue Saison bereits am 25. August eröffnet und gegen die HSG Refrath/Hand antritt, wird nicht ganz unwahrscheinlich auch Ronny Rogawska auf der Tribüne in der Waldsporthalle zu sehen sein. Der 54 Jahre alte Däne, der aus Arhus stammt, ist schließlich Wahl-Korschenbroicher und unter anderem dafür bekannt, dass er seine jeweilige Mannschaft so gut wie möglich auf den Gegner einzustellen pflegt – wozu direkte persönliche Eindrücke nicht selten wertvollere Hinweise liefern als Video-Aufnahmen. Dass die Borussia im Derby selbst mit dem Heimrecht kaum als Favorit gelten darf, liegt für Rogawska trotz allen Ehrgeizes auf der Hand. „Sie spielen einen Handball, bei dem alles Hand und Fuß hat“, betont der Mönchengladbacher Trainer, der Korschenbroich natürlich bei den Kandidaten für die Meisterschaft ganz oben sieht. Das muss ja im Übrigen so sein, weil zuletzt Interaktiv.Handball (49:3) und der TVK (46:6) den Aufstieg deutlich unter sich ausmachten – und die Ratinger demnächst in der 3. Liga unterwegs sein werden also als Konkurrent fehlen. Aus dem ersten Drittel der Abschlusstabelle war jedenfalls in der vergangenen Saison sonst niemand in der Lage, die beiden Top-Teams nennenswert zu bedrängen.

Welche Rolle die Borussia künftig einnehmen könnte, ist für Ronny Rogawska wenigstens mittelfristig relativ klar: „Unser Ziel ist schon die 3. Liga, das haben wir so kommuniziert.“ Der nächste Schritt auf dem Weg dorthin führt logischerweise zunächst über den Klassenerhalt – den die Borussia in den achteinhalb Monaten vom August 2023 bis zum Mai 2024 nicht nur mit Mühe und über viel Zittern schaffen will. „Wir gehen das mit Respekt an“, erklärt Rogawska, „aber wir müssten ein vernünftiges Ziel hinkriegen. Ich sehe uns um Platz sechs herum. Wir freuen uns sehr auf die Saison.“ Der Startschuss fällt am 26. August gegen den Vorjahrs-Achten TuSEM Essen II, ehe die Aufgaben am 2. September beim Vorgänger-Aufsteiger Bergischer HC II (Zwölfter), am 9. September beim HC Weiden (Zehnter), am 16. September bei der SG Langenfeld (Sechster), am 23. September gegen die HSG Refrath/Hand (Siebter) und am 30. September beim Mit-Aufsteiger TSV Bayer Dormagen II (Meister Oberliga Mittelrhein) folgen. Danach werden sie in Mönchengladbach bereits wissen, wo sie in der Regionalliga tatsächlich stehen – wobei sie gleichzeitig mit einer ungewöhnlichen Termingestaltung durch die komplette Saison gehen. Nur zwei der ersten sechs Partien findet zu Hause statt, aber vier auswärts, und nach der Drei-Wochen-Pause im Oktober warten bis zum Jahresende weitere drei Heimspiele sowie fünf Aufgaben in des Gegners Halle. Das Jahr 2024 beginnt schließlich mit drei Heimspielen hintereinander und im Endspurt trägt die Borussia drei ihrer letzten vier Spiele zu Hause aus. Was Rogawska und seine Mannschaft trotzdem auf jeden Fall verhindern wollen: Dass sie dann noch unter Druck stehen, gewinnen zu müssen. Womit sie auf keinen Fall rechnen: Dass sie irgendwo etwas geschenkt bekommen. Deswegen fällt die Pause auch ziemlich kurz aus und deshalb haben alle ihre Hausaufgaben zu erledigen.