22. Juli 2022 | Zurück zur Artikelübersicht » |
Eigentlich ist das beneidenswert. Sein Zuhause befindet sich ja in einer Gegend, die manche als Heimat des Handballs bezeichnen. Auf wen trifft es denn besser zu als auf Markus Murfuni? Geboren in Bergneustadt. Sportlich aufgewachsen beim großen VfL Gummersbach. Sesshaft geworden in Strombach. Sein Arbeitsplatz liegt in der traditionsreichen Eugen-Haas-Halle – also dort, wo er von früher vermutlich jeden Quadratzentimeter kennt und wo er jetzt sein Comeback durchaus irgendwie feiert. In die sportliche Ehe mit dem HC Gelpe/Strombach bringt er einen reichhaltigen Schatz an Erfahrungen aus dem Profibereich mit, als Spieler und als Trainer. Was das für die Aufgabe bei einem Regionalligisten bedeutet? Murfuni weiß, dass er hier und da umdenken muss, weil er es jetzt nicht mehr mit Berufshandballern zu tun hat, die zweimal pro Tag in die Halle kommen können. Was geblieben ist und für den Nachfolger von Michiel Lochtenbergh immer bleiben wird: „Ich bringe viel Menschlichkeit mit.“ Entsprechend sind ihm Selbstdarstellung und Selbstüberschätzung ein Gräuel: „Ich kann Überheblichkeit und Arroganz gegenüber Gegnern und Helfern oder Disziplinlosigkeit nicht leiden. Wir brauchen eine gewisse Demut.“
Markus Murfuni hat das Oberbergische schon einmal verlassen, weil ihm im VfL Gummersbach bei den Erwachsenen nicht der ganz große Durchbruch gelang. Bundesliga-Spieler wurde er trotzdem – in Solingen, in Wallau-Massenheim, in Pfullingen. In der Schweiz gewann Murfuni als Co-Trainer von Markus Baur mit den Kadetten Schaffhausen die Meisterschaft der Schweiz – aus der er 2016 in die Heimat zurückkehrte. Drei Jahre dauerten der „Besuch“ in der Heimat und die Tätigkeit beim TuS Derschlag (Sportlicher Leiter, Jugendleiter), weil sich 2019 plötzlicher wieder alles sehr schnell veränderte: Der Zweitligist ThSV Eisenach holte Murfuni als Co-Trainer der Trainerlegende Sead Hasanefendic. Es war eine treffende Schlagzeile damals: „Kraudi steht immer unter Strom.“ Neun Monate später übernahm er die Cheftrainer-Rolle: „Eisenach befördert Kraudi.“ Nach Rang elf in der abgebrochenen Saison 2019/2020 sollte die Serie 2020/2021 grundsätzlich eine Art Neustart für alle sein, doch der Traum hielt magere fünf Spieltage lang: Nach 2:8 Punkten aus den ersten Partien stand Murfunis Stuhl im Oktober 2021 vor der Tür. Keine ganz große Überraschung: Als der HC Gelpe/Strombach anfragte, ob er sich vorstellen könne, ab dem 1. Juli 2022 den aus beruflichen Gründen als Trainer aufhörenden Michiel Lochtenbergh zu ersetzen, konnte die Antwort beinahe nur ein klares „Ja“ sein: „Heimatliebe: Markus Murfuni ist zurück in Gummersbach.“ Am meisten freuten sich über die Zusage allerdings nicht die Verantwortlichen des HC, sondern seine Frau Sonia und seine Tochter Lola – in den vergangenen Jahren im Lebensmittelpunkt Gummersbach oft genug viel zu weit weg. Jetzt gilt dieses Credo: „Handball gibt es nicht mehr ohne meine Familie.“
Lochtenbergh, insgesamt fünf Jahre auf der Kommandobrücke des HC Gelpe/Strombach, führte das Team in der nach 19 von 26 Spielen abgebrochen Saison 2019/2020 zur Meisterschaft und zum angestrebten Aufstieg in die Regionalliga. Dort gab es einen im wahrsten Sinne des Wortes übersichtlichen Aufenthalt – weil die Serie nach nur vier Partien ebenfalls vorbei war und weil auf dem Konto erstaunlich bescheidene 0:8 Zähler standen. Ein Jahr danach lief es dafür bedeutend besser und besonders beim 31:30 über den Dauer-Titelfavoriten Interaktiv.Handball deuteten die Oberbergischen ihr enormes Potenzial an. Auf der anderen Seite gab Lochtenberghs Team drei Zähler gegen die späteren Absteiger HSG Siebengebirge (26:26) und TV Rheinbach ab (25:28). Auf der Zielgeraden der hektischen Saison-Schlussphase mit vielen nachzuholenden Aufgaben gelangen noch fünf späte Siege hintereinander, sodass unter dem Strich der vierte Platz und 35:17 Punkte in die Wertung gingen – ein Ergebnis, das zum vorher angedachten Zielkorridor passte. Ganz vorne lagen der TV Aldekerk (43:9) und Interaktiv (41:11) trotzdem zu weit weg, während der Abstand zum Dritten TV Korschenbroich (38:14) übersichtlicher ausfiel. Hinter diesen vier Teams tat sich wiederum eine etwas größere Lücke bis zum Fünften HG Remscheid auf (30:22). Ein eindeutiger Pluspunkt des HC war die Abwehr vor den beiden Keepern Marvin Blech und Moritz Banaschewitz, die mit 648 Gegentreffern bei einem Schnitt von knapp unter 25 blieb – und damit den Bestwert aller Regionalligisten setzte. Demgegenüber erfüllte die offensive Ausbeute mit 696 Toren (Durchschnitt 26,72) seltener die allgemeinen Erwartungen.
Für die Zukunft hat Murfuni dennoch nicht vor, alles auf links zu drehen. Das liegt einerseits daran, dass er das Wirken seines Vorgängers Lochtenbergh hoch einschätzt – mit dem er im Übrigen in dessen Funktion als Sportlicher Leiter sowieso eng zusammenarbeiten wird. „Seine Meinung ist auch sehr wertvoll“, betont der neue Coach, der mit dem Start in Gelpe/Strombach sehr zufrieden ist und dabei eine Art Aufbruchstimmung verspürt. Die Erwartungen an seine Spieler ergeben sich von selbst – jedenfalls an jene, die aufgrund früherer Zugehörigkeit zu höheren Klassen viel Erfahrung in die Waagschale werfen können: „Sie müssen Führungs-Qualitäten mitbringen.“ In Linkshänder Julian Mayer und in Rechtsaußen Tobias Schröter zum Beispiel gehören ganz sicher Handballer mit außergewöhnlichen Qualitäten zum Aufgebot, das der HC nun erneut unter regionalen Gesichtspunkten erweitert hat: In Leonard Viebahn und Felix Mayer kehren zwei vielversprechende Talente aus der VfL-Akademie zu ihrem früheren Klub zurück. Akademie-Mitglied war früher auch Paul Borisch, der anschließend zunächst bei den Oberligisten TuS Derschlag und SSV Nümbrecht unterwegs war, ehe er sich jetzt ebenfalls dem HC Gelpe/Strombach anschloss.
Murfuni sieht seine Haupt-Aufgabe zunächst darin, alle Puzzleteile zu einem passenden Ganzen zusammenzufügen: „In erster Linie will ich ein Team haben. Ich will nicht das Rad neu erfinden.“ Als größte Herausforderung sieht er einen Mangel an Zeit: „Das ist in der Vorbereitung nicht zu erledigen.“ Immerhin geht es darum, keinen komplizierten Handball vorzutragen, sondern einen einfachen – den jedoch im höchsten möglichen Tempo und darüber hinaus möglichst effektiv. Wozu das reichen könnte, ist selbst für Markus Murfuni eine spannende Frage, die wenigstens eine Einschränkung kennt: „Wir sollten nicht schwächer unterwegs sein.“ Genaueres werden sie wahrscheinlich mit der ersten Meisterschafts-Unterbrechung nach den fünf Aufgaben beim OSC Rheinhausen (4. September), gegen die SG Langenfeld (10. September), bei TuSEM Essen II (17. September), gegen den Bergischen HC II (24. September) und beim Neusser HV (1. Oktober) wissen. Mit möglichen Prognosen oder gar Einschätzungen über die Konkurrenz hält sich Murfuni lieber zurück: „Wir kehren vor der eigenen Haustüre.“ Dass die anderen eigene Vorstellungen haben und sehr intensiv überprüfen werden, wie weit sie beim HC Gelpe/Strombach mit den Reinigungsarbeiten gekommen sind, versteht sich von selbst.